Wie kann gute Kommunikation zwischen Politik und Forschung gelingen? Mein Rückblick auf die Veranstaltung der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft und des CAIS Bochum Politik braucht Forschung braucht Wissenschaftskommunikation.
Ich selbst wollte immer Wissenschaftlerin werden und habe von 2015 an in unterschiedlichen Kontexten wissenschaftlich gearbeitet, bis zu meinem Einzug in den Landtag 2022. Jetzt als Politikerin kann ich sagen: Politiker*innen informieren sich und Politik ignoriert Wissenschaft nicht einfach!
Mein Team und ich nehmen uns die Zeit, Entscheidungen mit wissenschaftsgeleiteter Recherche zu unterlegen. Gerne biete ich auch interessierten Wissenschaftler*innen einen Einblick in unseren Alltag an, was das konkret heißt, und wo die Politik an ihre Grenzen kommt, um ein gegenseitiges Verständnis zu fördern. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Brücke zwischen Wissenschaft und Politik zu bauen. Wissenschaft darf Lobbyismus im Sinne der eigenen Sache betreiben, wenn sie politische Entscheidung verändern will. Nur zu hoffen, dass wir bei den unzähligen Veröffentlichungen die relevantesten finden, ist utopisch.
Brücken bauen zwischen Wissenschaft und Politik
Wir haben aus meiner Sicht eine doppelte Lücke zwischen Wissenschaft und Politik und die müssen wir überbrücken. Politik funktioniert anders, als es von außen aussieht, Wissenschaft genauso. Beide Systeme „sprechen ihre eigene Sprache“ – man kommuniziert zwar, aber ähnlich zu interdisziplinären Projekten braucht es eine Zeit, bis man sich gegenseitig wirklich versteht und nochmal länger bis man gemeinsam an inter- und transdisziplinären Lösungen arbeiten kann. Kommunikation kann nur dann funktionieren, wenn wir diese doppelte Lücke überwinden. Und an dieser Lücke geht Kommunikation im Moment häufig schief. Zudem kann es nicht bei Kommunikation im engeren Sinn bleiben.
Bloß passiv zu Publizieren reicht nicht aus, um eine Veränderung anzustoßen. Politik wird mit Informationen überfrachtet. Wenn Wissenschaft den Anspruch hat, mit ihrem Wissen objektiv richtige Ziele zu erreichen, muss sie Politik eine aktive Orientierung im Informationsdschungel bieten. Auf Ebene von Kommunen und Land stehen der Politik nicht die gleichen Ressourcen zur Informationssuche bereit, wie auf Bundesebene.
- Wie kann Wissenschaft anfangen die Lücke zu schließen? Neben der Kommunikation von Ergebnissen, auch:
- Science Literacy-Angebote, die vermitteln, wie eine wissenschaftliche Erkenntnis zustande kommt, wie Qualität gesichert wird, welchen Wert ein wissenschaftlicher Konsens hat, wie man Ergebnisse liest etc.
- Handlungsempfehlungen auf Basis der Ergebnisse aussprechen oder, wo möglich, Interventionen gleichzeitig erforschen.
- Die Forschung, die Politik verändern will, sollte in den Austausch oder einen co-kreativen Prozess treten, beispielsweise um zu erfahren, welche rechtlichen, sozialen oder realpolitischen Hürden für die Umsetzung existieren.
- Umgekehrt arbeite ich als Politikerin daran,
- Wissenschaftler*innen transparent zu erklären, warum sich Vorschläge und Forderungen nicht immer 1:1 umsetzen lassen, welche Hürden ich sehe, wo ich Dinge sehe, die meines Wissens noch nicht mit Evidenz unterlegt sind, um so Wissenschaftler*innen mehr Kontext zu geben.
- darzustellen, wie Politik funktioniert, wie man die passenden Ansprechpersonen über verschiedene Zuständigkeiten hinweg findet, und warum manche Veränderungen lange brauchen und andere wiederum scheinbar einfach und schnell gehen.
- dass mehr Menschen wie ich von Wissenschaft begeistert sind und dass wir gute Rahmenbedingungen für die wissenschaftliche Arbeit schaffen.
Evidence-Based Policy Making
Und auf dieser gemeinsamen Basis, die Austausch und Co-Kreation ermöglichen, kann dann evidence-based policy making sein volles Potenzial entfalten. Im Moment begrenzen uns aus meiner Sicht zwei Dinge in Bezug auf evidence-based policy making:
- Es gibt oft nicht genug inter- und transdisziplinäre Evidenz zu dem Zeitpunkt, wo Entscheidungen getroffen werden müssen. Eine wissenschaftliche, inter- und transdisziplinäre Abwägung und Betrachtung aus der Wissenschaft heraus ist für viele aktuelle Herausforderungen nicht da.
- Formate wie – Fachzeitschriften, Tagungen, Tage der offenen Tür, populärere Medien, Science Slam, Pint of Science – sind alle auf Information und nicht auf Austausch und Handlung, also nicht auf gemeinsames Arbeiten an konkreten Lösungen zu einem akuten Problem, ausgerichtet.
Wissenschaft kann für Entscheidungen nur die Grundlage sein – ethische Überlegungen, Sorgen & Ängste von Menschen, Erfahrungswissen, Change Management – das alles muss auch eine Rolle in einer umsichtigen Entscheidungsfindung spielen. Alle relevanten Aspekte im Blick zu behalten und miteinander abzuwägen, ist Aufgabe der Politik
Wenn Forschung Politik erreichen will – und das muss nicht jede Forschung tun – dann hilft es aus meiner Erfahrung ganz pragmatisch:
- interdisziplinär abgewogene Antworten einfach verständlich (und damit auch vereinfacht) zu präsentieren (einfach im Sinne von auf einer Seite mit plakativen Punkten). Daran lässt sich die ausführlichere Evidenz immer noch zur weiteren Information anhängen
- Fachsprecher*innen/Ausschussmitglieder gezielt anzusprechen, weil diese in ihren Themen mehr Fachwissen haben. Wenn man wissenschaftliche Erkenntnis auf einen konkreten Gesetzentwurf oder eine konkrete Initiative beziehen kann, ist die Information noch leichter anzubringen.
- auch Science Literacy zu vermitteln – wer nicht weiß, wie Wissenschaft funktioniert, welche Arbeit in die Sicherstellung von Qualität fließt, kann wissenschaftlichen Konsens und wissenschaftsgeleitete Handlungsvorschläge nicht wertschätzen.
- es Politik einfach zu machen, die Qualität und Reputation der Arbeit einzuschätzen und zu erkennen, dass es sich um eine qualitätsgesicherte Arbeit/ein fest verankertes Institut handelt.